Die Ostsee

In diesem Abschnitt gibt es ein wenig Ozeanographie für Angler. Irgendwo muss man ja das eigene Spezialgebiet unterbringen, und außerdem ist dieses Hintergrundwsissen für jeden Angler nützlich. Wichtige Punkte sind dabei die Schichtung und Eisbildung sowie Wasserstandsschwankungen und letztlich auch die Schallausbreitung im Meer.

Die Ostsee ist ein humides Nebenmeer, in dem die Süßwasserzufuhr durch Regen, Schnee und Flüsse den sommerlichen Süßwasserverlust durch Verdunstung übertrifft. Die großen Flüsse in den nordöstlichen Regionen der Ostsee sind dabei der Hauptlieferant von Süßwasser. Deshalb nimmt der Salzgehalt zum Bottnischen und Finnischen Meerbusen hin ab und bereits rund um die Aland Inseln kann man die Ostsee als Brackwasser ansehen, in dem sich Hechte und Barsche genauso wohlfühlen wie die Meerforellen. Dabei ist die Ostsee in verschiedene Becken unterteilt, die durch flache Schwellen voneinander getrennt sind und die den Wasseraustausch zwischen den Becken behindern.

Hamburg Lübeck Kiel Flensburg Kopenhagen Oslo Stockholm Helsinki Ostsee

Einstrom und Ausstrom

Der Wasserstand der Ostsee kann natürlich nicht steigen, da es ja eine Verbindung zur Nordsee gibt. Salzarmes Wasser ist bei gleicher Temperatur leichter als salzreicheres Wasser. Deshalb liegt das salzarme Wasser immer an der Meeresoberfläche und kann auch nur an der Oberfläche in die Nordsee ausströmen. Einstrom von salzreichem Nordseewasser in die Ostsee geschieht dagegen nur am Boden, und das auch nicht kontinuierlich, sondern nur in einzelnen Einstromereignissen. Dieses Nordseewasser ist viel salzreicher als das der Ostsee und füllt nur die tiefen Becken der Ostsee aus.

Die Ostsee weist damit eine extrem stabile Schichtung auf. Salzarmes und leichtes Wasser an der Oberfläche und salzreiches Wasser in der Tiefe können sich auch bei extremen Windlagen kaum miteinander vermischen. Das bedeutet, dass sauerstoffreiches Oberflächenwasser nicht in die Tiefe gemischt werden kann. Bleiben dann die Einstromereignisse aus, dann kommt es zu Sauerstoffzehrung in den tiefen Becken und möglicherweise zu Fischsterben oder zum Absterben von Laich. Das letzte große Einstromereignis passierte 1993 und ist damit bereits fast 10 Jahre her. Von diesem Ereignis gibt es eine Computersimulation, die als animated Gif erlebt werden kann.


Klima im Nordeuropäischen Raum

Klimaschwankungen im Europäischen Raum werden durch die sogenannte NAO hervorgerufen, das ist eine Druckschaukel zwischen Island-Tief und Azoren-Hoch. Bei besonders starkem NAO kommt es zu verstärkten Niederschlägen in unseren Regionen und besonders in West-Norwegen. Dies hat überwiegend positive Auswirkungen auf die Lachsfänge, die durch viel Schnee im Winter im folgenden Sommer genügend Wasser für einen guten Aufstieg zur folge haben. So konnten aus den Lachsfängen früherer Jahrhunderte auf diese Klimaschwankungen zurückgeschlossen werden. Hier sei erwähnt, dass gerade die Jahre 1989-1994 Jahre mit hohem NAO waren und auch super Lachsjahre; wenn ich mich recht erinnere.

Nordatlantische Klimaschwankung NAO+

Für uns hat dieser Zustand noch eine weitere Konsequenz, die Häufigkeit von Winterstürmen nimmt deutlich zu (Beispiele sind Ende der 80er und die frühen 90er Jahre) und wir haben warme feuchte Winter mit Aussicht auf eine früh beginnende und meist lang anhaltende Meerforellensaison (Februar 2000 und 2001).

Nordatlantische Klimaschwankung NAO-

Die andere Phase (NAO-) hat in unserer Region extrem kalte Winter mit Festlandsklima zur Folge und führt manchmal zu großflächigen Vereisung der Ostsee (manchmal bis vor unsere Haustür). Dies hat natürlich extreme Auswirkungen auf unsere Winterangelei auf Meerforellen, die in solchen Situationen in ausgesüßte Bereiche wandern. (Beispiel: Winter 1995/96 mit vielen großen MF in der Schwentine-Mündung). In diesen Jahren ist die Meerforellensaison meist kurz und spät im Jahr.


Wasserstandsschwankungen und Strömung

In der Nordsee sorgen halbtägige Gezeiten für regelmäßige Wasserstandsschwankungen. Das Wattenmeer ist eine Konsequenz der Gezeiten. Die Ostsee ist zu klein für eigenständige Gezeiten und da im Skagerrak auch keine besonders intensive Nordsee-Gezeit liegt, liegen die Gezeiten-Hübe in der Ostsee lediglich im Zentimeterbereich. Entsprechend gering fallen auch die Gezeitenströme aus (nennenswerte Geschwindigkeiten nur in den Belten). Eine Anzahl von Schwellen behindert den Austausch innerhalb der Ostsee zusätzlich.

IFM-Pegel Wasserstands-Schwankungen können trotzdem erheblich sein. Anhaltende Nordwinde in der zentralen Ostsee führen zu einem Anstau in der südwestlichen Ostsee und Niedrigwasser in der nordöstlichen Ostsee (verantwortlich ist das großräumige Windfeld). Lässt der Wind (schnelles Durchwandern von Tiefdruckgebieten) schlagartig nach, so schwappt das Wasser wie in einer Badewanne zurück. Die Zeit, die diese Schwingung braucht (ihre Periode), hängt von der Länge des Beckens ab. Da die Ostsee zwei Beckenachsen hat gibt es auch zwei Schwingungsperioden (27 Stunden und 32 Stunden). Diese Schwingungen führen zu erheblichen Amplituden (bis 1.5 m) und zu großen Strömungen in den engen Passagen (z. B. Fehmarn Belt und Sund). Umgekehrt geht das natürlich auch; südwestliche Winde mit Anstau in der nordöstlichen Ostsee.

Welche Konsequenzen hat das für unsere Meerforellenfischerei. Zunächst sind bei solchen extremen Hochwassern Angelplätze vor aktiven Steilküsten nicht zu beangeln. Allerdings kann man das folgende Niedrigwasser super nutzen, um die Unterwasser-Strukturen des Lieblingsplatzes zu lokalisieren. Sehr wichtig! Die Schneisen in vorgelagerten Sandbänken sind bei Niedrigwasser gut zu erkennen (siehe Kapitel Strategie).

Im Sommer sind umströmte Kaps an offenen Küsten die einzig erfolgversprechenden Plätze; hier kann man gut vorhersagen, wie die Strömungen sein werden, wenn man aktuelle Pegelschwankungen zur Verfügung hat (IFM-Kiel).

Temperatur- und Salzgehalts Schichtung

Als Beispiel für die Tiefenstruktur von Temperatur, Salzgehalt und Sauerstoff sind hier Temperatur und Salzgehalts-Daten aus dem Fehmarn Belt gezeigt.

Salzgehalt im Fehmarn Belt

In diesem Querschnitt durch den Fehmarn Belt (links Fehmarn, rechts Dänemark) sieht man, wie sich das leichte salzarme Wasser (die Einheiten sind hier etwa Gram Salz pro Kilogram Wasser) über das salzreiche Wasser in der Tiefe geschoben hat; die Farbskala reicht von Blau, etwa 13 g Salz pro Kilogram Wasser, bis Rot, etwa 22g/kg. Dieses Bodenwasser bleibt permanent am Boden und kann auch bei Winterstürmen nicht vermischt und mit Sauerstoff angereichert werden. Damit bleibt das Tiefenwasser der Ostsee auch relativ warm (um 5° - 8°), was sich auch im Winter nicht ändert. Wesentlichen Anteil daran hat der stabilisierende Salzgehalt.

Schichtung und Eisbildung

Salzwasser hat einen niedrigeren Gefrierpunkt als Süßwasser, das ja bei Null Grad Celsius gefriert. In der Ostsee, deren Salzgehalt an der Oberfläche bei etwa 13 Gramm/Kilogramm liegt, liegt der Gefrierpunkt bei etwa -1° C. Allerdings unterscheidet sich die Ostsee in einer wesentlichen Eigenschaft von hochmarinen Gebieten, die einen Salzgehalt um 35 g/kg aufweisen.

Temperatur / Salgehalt und Gefrierpunkt

Temperatur/Salzgehaltsdiagram; die blaue Linie ist die maximal erreichbare Dichte, wenn das Wasser mit einem bestimmten Salzgehalt abgekühlt wird. Die rote Linie markiert die Temperatur, bei der Salzwasser mit einem bestimmten Salzgehalt gefriert.

Bei Abkühlung von Wasser nimmt die Dichte zu (das Wasser wird schwerer). Bei Süßwasser geht diese Dichtezunahme bis 4 °C, bei noch tieferen Temperaturen bis hin zum Gefrierpunkt nimmt die Dichte dann wieder ab. In hochmarinen Gebieten (Nordsee, Atlantik) nimmt die Dichte bis zum Gefrierpunkt hin zu, es gibt kein Dichtemaximum oberhalb des Gefrierpunktes und abgekühltes Wasser sinkt in die Tiefe da es schwerer als das darunter liegende Wasser wird. Die Konsequenz ist, dass sich in einer Süßwasser-Umgebung leicht Eis bilden kann, da unterhalb von 4 °C das kälteste Wasser immer direkt an der Oberfläche bleibt. Die Ostsee verhält sich dabei wie ein Süßwassersee. Deshalb kommt es in starken Wintern (z.B. 1995) zu großflächigen Vereisungen der Ostsee.

Salzwassereinbrüche - Lebenselexier der Ostsee

Wie bereits oben beschrieben, verhindert die Salzgehalts-Schichtung einen Kontakt des Tiefenwassers mit der Oberfläche und damit auch die Erneuerung des Sauerstoffs in der Tiefee. Heruntersinkende Biomasse (Schei....) und abgestorbenes Plankton führen zu Sauerstoffzehrung in den tiefen Becken. Bleiben Salzwassereinbrüche, die die einzige Möglichkeit zur Sauerstofferneuerung sind, für lange Zeit aus, so kommt es im Extremfall zu Schwefelwasserstoff Bildung und alles Leben in den Becken ist hochgradig gefährdet. Im Laufe von Jahren erniedrigt sich der Salzgehalt durch sehr langsame Vermischung in den Becken, wie auf dem Standbild zu erkennen.

Bodensalzgehalt in der Beltsee und der westlichen Ostsee; grün/gelb für niedrigen Salzgehalt und rot für hochmarine Verhältnisse, wie sie in der Nordsee vorliegen. Modellsimulation des Salzwassereinbruchs von 1993; A. Lehmann, IFM-Kiel

Anklicken der Graphik startet die Animation, die nach Ablauf immer wieder erneut startet. Zu sehen ist, wie sich das salzreiche Wasser (rot) in Pulsen bis in die tiefen Becken (Gotlandtief) ausbreitet. Der ganze Prozess dauert etwa 3 Monate. Letze große Einstromereignisse vor 1993 gabs 1984 und 1976; sie treten also in etwa 10-jährigem Rhythmus auf. Besonders kritische Verhältnisse gibt es also alle 10 Jahre. Fallen diese Perioden mit extremer Überfischung überein, sind die Chancen für eine Katastrophe optimal (z.B. für Jungdorsche).

Schallausbreitung

Schall im Wasser ist der bedeutendste Signalträger für Menschen aber auch für Beute und Jäger. Deswegen ist es wichtig, einige grundlegene Eigenschaften der Schallausbreitung zu kennen. Da Wasser ein dichteres Medium ist als Luft, ist es nicht so stark komprimierbar und die Schallgeschwindigkeit (300 m/s in Luft) ist mit 1500 m/s wesentlich höher; d. h. Schallsignale breiten sich im Wasser wesentlich schneller aus als in der Luft. Eine zweite wichtige Eigenschaft des Schalls im Wasser ist es, dass die Abschwächung (Dämpfung) gering ist und niederfrequenter Schall weniger gedämpft wird als hochfrequenter Schall. Dies wird von Tieren (Walen) und von Menschen (Sonar und Unterwasserdatenübertragung) aktiv genutzt. Hier gibt es Experimente mit niederfrequenten Schallsignalen (200 Hz), wo der gesamte Pazifik durchstrahlt wird und in der Nähe der Antarktis ausgesendete Signale in 10000 km Entfernung vor San Franzisco empfangen werden. Ein Problem dabei ist der immer im Meer vorhandene Hintergrundlärm, der den Empfang leiser Signale stört und manchmal verhindert. Das muß man sich etwa wie in einer Disco vorstellen, in der man seinen leise sprechenden Partner bei extrem lauter Hintergrundsmusik verstehen möchte.

Schallsignale werden auch von Fischen (Beute und Jäger) genutzt; wie Fliegenfischer das nutzen, diskutieren wir im Strategie-Abschnitt.