Fliegenfischen und Schall im Meer

Schall ist der bedeutendste Signalträger im Meer und Fische nutzen neben den anderen Sinnesorganen (riechen und sehen) Schallrezeptoren des Seitenlinienorgans zum orientieren, zur Überwachung und zur Jagd. Sinnesorgane und Reichweite

Fische können meistens sehr gut riechen, und die Wissenschaft ist ziemlich sicher, dass Aale und Lachse Verdünnungen bis fast auf Molekülstärke wahrnehmen können. Allerdings müssen Geruchssignale durch Strömungen transportiert werden, was sich Fliegenfischer in den Tropen zu Nutze machen und Lockspuren legen (Chum-Lines). Optische und akustische Signale werden ohne Transport von Masse übertragen und sind damit unabhängig von Strömungen. Allerdings werden optische Signale schon über kurze Entfernungen weggedämpft. Dabei wird langwelliges Licht stärker gedäpmft als kurzwelliges (deshalb ist der Ozean blau und nicht rot). Das bedeutet für den Fliegenfischer, dass Farbe und Aussehen der Fliege im Nahbereich (einige Meter, je nach Trübung) wichtig sind, aber die Beute-Ortung über größere Entfernungen durch Schallsignale geschieht. Diese Ortung ist erschwert durch Hintergrundlärm und als Fliegenfischer unterscheiden wir deshalb konstruktiven und destruktiven Lärm.

[Destruktiver Lärm] ist jedes Geräusch, dass eine Beuteortung für die Jäger (Meerforellen) erschwert bzw. diese vertreibt. Vertreiben lassen sich Meerforellen und andere Fische aus dem ufernahen Flachwasserbereich durch den Angler selbst (durch lautes Waten) aber auch durch den extremen Lärm vorbeifahrender Motorboote. So sind die Fangchancen in der Nähe von Campingplätzen an schönen Frühjahrswochenenden meist kurz nach dem Frühstück vorbei; dann werden die Boote zu Wasser gelassen und die Motoren gestartet.

Neben diesen mehr lokalen Lärmquellen gibt es Hintergrundslärm, der immer vorhanden ist, aber nicht immer in der gleichen Intensität. Hauptquelle ist Wellenschlag durch brechende Windwellen und brechende Wellen am Strand. Aber auch kräftige Regenschauer sorgen für einen immensen Lärm im Wasser (kann jeder im Sommer selbst ausprobieren). Dies ist niederfrequenter Schall (etwa 1 kHz) und daher über weite Strecken hörbar. Die Ursachen für diesen Lärm hängen von der Tageszeit ab. Windwellen nehmen häufig gegen Abend hin ab (Seewind) und erst am Morgen bei beginnender Erwärmung wieder zu. Dieser zeitliche Ablauf gilt auch für von Menschen erzeugtem Lärm (Schiffsmotoren und Wellen von Schiffen).

Jeder Fliegenfischer, der aufmerksam die Dämmerungsphase durchfischt, bemerkt wie hellhörig die Nächte sind. Das liegt daran, dass der Schallpegel der Hintergrundgeräusche abnimmt. Raubende Fische werden jetzt leicht gehört und genauso ist es auch unter Wasser, wo die Räuber jetzt viel bessere Bedingungen für die Schallortung haben. Das gilt für die Beuteortung aber auch für den watenden Angler.

[Konstruktiver Lärm] ist jedes Geräusch, dass dem jagenden Fisch die Beute oder die Fliege des Anglers anzeigt. Beutefische, besonders verletzte, bewegen sich manchmal hektisch und senden damit Schalldruckwellen aus, die von den Jägern geortet werden können.

Stellt man sich den Ort des Beutefisches als eine punktförmige Schallquelle vor, dann breiten sich von diesem Ort Druckwellen (Schallwellen) in alle Richtungen aus (kugelförmige Ausbreitung). Diese Druckwellen treffen auf die Seitenlinie des Jägers. Die Seitenlinie wirkt dabei wie eine Richtantenne! Liegt die Schallquelle querab, so treffen die Druckwellen zuerst auf die Rezeptoren in der Mitte des Seitenlinienorgans und erst später auf die weiter vorne bzw. hinten liegenden Rezeptoren. Der Jäger weiß somit in welche Richtung er schwimmen muß, um auf die Beute zu treffen (Nur die Richtung nicht die Entfernung!). Analog treffen Schallsignale, die hinter (vor) dem Jäger erzeugt werden zuerst auf die hinteren (vorderen) Rezeptoren und lösen einen Angriff in die entsprechende Richtung aus.

Was kann diese Ortung stören? Zunächst gibt es den Hintergrundlärm, dessen Schalldruck die Rezeptoren verstopft (Disco-Effekt). Unterwasserschall unterliegt aber auch Dämpfung und Streuung. Dämpfung ist in erster Linie eine Frage der Entfernung. Streuung von Schall geschieht an streuenden Partikeln wie Luftblasen (duch Wellenschlag) und Schwebepartikel (geringer Effekt) im Wasser. Das erklärt auch, wie Meerforellen in trübem Wasser ihre Beute finden, nämlich durch Schallortung und erst auf kurze Distanz durch visuelle Ortung. Nur wenn viele kleine Luftblasen im Wasser sind, wird aus gerichtetem Schall ein diffuses Signal dessen Richtung nicht mehr feststellbar ist. Dies ist analog zum Effekt von Wolken auf das Sonnenlicht. Bei klarem Himmel ist die Sonne klar zu orten; Wolken streuen das Sonnenlicht und der gesamte Himmel erscheint gleich hell (Diffuses Licht)

Beispiel: Auf der Expo-Ausstellung in Kiel gab es dazu einen Versuch der Forschungsanstalt für Wasserschall und Geophysik (FWG). Dieser Versuch lief in einem Aquarium ab, in das auf der einen Seite Musik über einen Schallgeber eingegeben wurde. Auf der anderen Seite des Aquariums gab es ein Hydrophon (Unterwassermikrophon), mit dem die Musik empfangen wurde und verstärkt auf Lautsprecher gegeben wurde. Der Zuhörer konnte dann per Knopfdruck einen Luftblasenteppich vom Boden des Aquariums aufsteigen lassen. Augenblicklich war keine Musik mehr zu empfangen; Schall-Streuung an den mikroskopisch kleinen Luftblasen war die Ursache. Erst nach einer Weile, als die Blasen alle aufgestiegen und geplatzt waren, konnte die Musik wieder empfangen werden. - Militärische Anwendungen sind z. B. U-Boote, die sich durch Blasenteppiche vor Torpedos schützten

Wie kann der Fliegenfischer die Schallausbreitung zu seinen Gunsten nutzen? Zunächst sollte er möglichst jede Art von destruktivem Lärm vermeiden. Konstruktiven Lärm kann jeder selbst erzeugen! Erste Wahl bei der Erzeugung konstruktiven Lärms ist die Fliege selbst (Oberflächen-Fliegen wie Popper, Zigarre und Muddler) erzeugen beim Einzupfen Wellen an der Oberfläche (zum Teil auch laut platzende Luftblasen), die sich als Druckwellen fortpflanzen und von den Jägern registriert werden. Wie sehr solche Signale genutzt werden mag folgendes Beispiel verdeutlichen:

Sbirolino-Angler berichten häufig über viele Bisse in der Dunkelheit aber keine Fänge. Sbirolinos sind eine Art stromlinienförmige Schwimmkugel mit einer Fliege dahinter. Gemeinsames Nachtangeln brachte dann des Rätsels Lösung. Sbirolinos erzeugen eine kräftige Schleppwelle, die ohne Zweifel wesentlich stärkere Reize (Schallreize) auslöst als die vergleichsweise kleine Fliege. In dieser Nacht konnten wir die Attacken der Meerforellen auf die Sbirolinos direkt beobachten. Dagegen gingen die Angriffe der Forellen direkt auf die Fliege, die an der Fliegenrute gefischt wurde.

Besonders Nachts sind furchende Fliegen im Flachwasser der Bringer; Schwarze Muddler und Zigarrenfliege sind klassische Oberflächenfliegen für die Nachtfischerei. Will man noch etwas mehr Geräusche, dann hilft vielleicht ein kleiner Popper.

Bei trübem Wasser helfen knallige Farben nur im Nahbereich. Für die Fernortung spielt Schall die wichtigere Rolle, daher sind voluminöse Fliegen mit steifen Hechelkränzen vorzuziehen wenn das Wasser trübe ist. Hier haben wir eine Fliegenserie entwickelt, die über einen dichten Hechelkranz vefügen, die stark pulsieren und Druckwellen aussenden, die eigentlich auf größere Köder hinweisen. Dies machen sich Salzwasserfliegenfischer in den USA schon lange zu Nutze; z. B. bei der Tarponfischerei. Die von uns entwickelte Fliegenserie heißt als TaSty, was sich aus Tarpon und Style (Stil) ableitet und als "wohlschmeckend" übersetzt werden könnte. Diese Fliegen sind spezielle Muster für trübes Wasser oder für die Nachtfischerei.

Aufbau bzw. Konstruktion der Fliegen sind ein Mittel zur Erzeugung konstruktiven, d. h. Bissauslösenden Schalls. Einholen der Fliege ist ein anderes Mittel. So sind lange gleichmäßige Züge an der Fliegenschnur eher leise, wogegen kurze schnelle Züge starke Schallsignale aussenden.

Als letztes und vielleicht wichtigstes Mittel ist Lärm durch Werfen zu erwähnen. Eine deutlich aufgesetzte Fliege ist für jede Meerforelle über mehrere Meter Entfernung zu hören und wird häufig Bisse auslösen. Dies ist ein Probates Mittel um Fische, die sich ausserhalb der Wurfweite befinden an den Haken zu locken. Das geht am Besten, wenn man einen raubenden Fisch an der Oberfläche gesehen hat. Ein abgestoppter Wurf (d. h. die Fliege schlägt kräftig auf der Oberfläche auf) und sofortiges Einzupfen der Fliege führt häufig zu vehementen Atacken. (Dies ist eine Erfahrung, die Spinnfischer sehr oft machen)